Harzburger Modell

Jan Eldo
Belonio Benefit-Experte
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Beim Harzburger Modell handelt es sich um ein Modell zur Unternehmensführung, das Reinhard Höhn 1954 entwickelt hat und welches bis 1972 üblich war. Es stellt relativ eigenverantwortliches Arbeiten in den Mittelpunkt: Führungskräfte geben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur wenige Anweisungen. Stattdessen erfolgt die Delegation von Aufgaben, die die Belegschaft auf ihre Weise erfüllen kann. Die Vorgesetzten sind in der Führung vor allem für die Kontrolle zuständig.

Das sieht das Harzburger Modell nach Reinhard Höhn vor

Vorgesetzte, die bestimmte Aufgaben bearbeiten lassen müssen, teilen diese unter den Mitarbeitenden auf. Es spielt nur eine untergeordnete Rolle, auf welchem Wege die Angestellten ihre jeweiligen Ziele erreichen, solange sie Erfolg haben. Die Mitarbeitenden übernehmen die Verantwortung für die Kontrolle ihres klar definierten Aufgabenbereichs, wie er in der Stellenbeschreibung festgelegt ist, und führen gemeinsam mit ihren Vorgesetzten eine Analyse etwaiger Abweichungen durch. Die Vorgesetzten prüfen den Arbeitsverlauf im Rahmen ihrer Führung stichprobenartig und greifen immer nur dann ein, wenn sich ernstzunehmende Probleme ergeben. Dafür hat Reinhard Höhn ein straffes Regelwerk mit mehr als 300 einzelnen Regeln geschrieben.

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Von der Idee zum Harzburger Modell

Schon zwei Jahre nach dem Entwurf der Regeln für Vorgesetzte wurden sie an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg unterrichtet. Wer den Studiengang an der Akademie absolvierte, erhielt das sogenannte Harzburger Diplom. Das Führungsmodell aus Bad Harzburg wurde rasch bekannt und fand Umsetzung in der Verwaltung, in Unternehmen und auch beim Militär. Interessant war der neue Ansatz, den Mitarbeitenden weitestgehend freie Hand bei der Umsetzung zu lassen.

Das Harzburger Modell bot verschiedene Vorteile

Die Besonderheit des Modells aus der Akademie in Harzburg war, dass die Mitarbeitenden viel Verantwortung übernahmen und eigenständig arbeiteten. Das brachte mehrere positive Punkte mit sich:

  • Die Angestellten spürten das in sie gesetzte Vertrauen und fühlten sich ernst genommen und wertgeschätzt.
  • Das Verhältnis von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum Unternehmen wurde in vielen Fällen besser, da alle nach Gutdünken arbeiten konnten.
  • Die Selbstständigkeit bei der Arbeit trug zur Persönlichkeitsentfaltung und zum Ausschöpfen der verschiedenen Talente bei.

Diese Vorteile des Harzburger Modells von Reinhard Höhn waren für ein Führungskräfte- / Mitarbeiterverhältnis mess- und spürbar, allerdings gingen sie nicht ohne Nachteile einher.

Nachteile des Harzburger Modells

Zwar beschränkte sich die Führung Höhns auf die Delegation und die Kontrolle, allerdings musste sie dabei einem strengen Regelwerk folgen und auch das Berichtswesen uferte stark aus: Da der Erfolg des Modells nur durch Kontrolle gewährleistet werden konnte, mussten immer wieder Berichte eingereicht und durchgearbeitet werden, was den Arbeitsfluss beeinträchtigte. Weitere Kritikpunkte an diesem Führungsstil / Führungsmodell waren die folgenden:

  • Die Mitarbeitenden hatten keinerlei Einfluss auf die Zielfindung – sie erhielten die Aufgaben durch Delegation, selbstständiges Denken im Vorfeld wurde nicht gefördert.
  • Mitarbeitende mit wenig Erfahrung erhielten oft nur ihre Stellenbeschreibung und insgesamt zu wenig Führungsanweisung. Sie taten sich oft schwer damit, ihre eigene Arbeitsweise zu finden.

Einerseits war es also die Bürokratie, die dem Erfolg des Modells häufig im Weg stand, andererseits die fehlende Individualisierung bei der Behandlung der Mitarbeitenden.

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Was dem Harzburger Modell zum modernen Führungsstil fehlt

Der Ansatz des Harzburger Modells, den Mitarbeitenden weitestgehend freie Hand zu lassen, hat sich in vielen Fällen bewährt. Allerdings muss dieses Maß an Verantwortung nicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder das Mitarbeiterverhältnis von Vorteil sein. Gerade zu Beginn brauchen viele von ihnen klare Anweisungen, wie sie vorgehen sollen. Aus dieser Führungsanweisung heraus können sie später mit etwas Erfahrung und Routine durchaus einen eigenen Arbeitsstil entwickeln.

Es liegt in der Verantwortung einer guten Führung, die Unterschiede zu erkennen und Hilfestellung und lockere Zügel jeweils dort zu bieten, wo sie gebraucht werden. Auch ist es nötig, dass die Vorgesetzten im Sinne ihrer Führungsverantwortung unkompliziert und ohne zu viel Bürokratie in Arbeitsabläufe eingreifen können, wenn sich ein Problem zu entwickeln droht – und nicht erst dann, wenn es sich bereits entwickelt hat. Aus diesen Gründen wurde das Harzburger Modell nach Reinhard Höhn ab dem Jahre 1972 zunehmend von anderen Führungsmodellen verdrängt, die häufig aus den USA stammten.

Fazit

Das Harzburger Modell, entwickelt von Reinhard Höhn, stellte einen bedeutenden Ansatz in der Unternehmensführung dar, indem es den Mitarbeitenden viel Eigenverantwortung übertrug und ihre Selbstständigkeit förderte. Die Vorteile dieses Modells, wie das Vertrauen in die Angestellten und die Förderung ihrer persönlichen Entfaltung, trugen zu einem verbesserten Arbeitsklima und zu effizienteren Arbeitsabläufen bei. Jedoch brachten die starren Regelungen und das umfangreiche Berichtswesen erhebliche Bürokratie mit sich, was den Arbeitsfluss hemmte. Zudem bot das Modell unerfahrenen Mitarbeitenden zu wenig Orientierung und ließ ihnen wenig Spielraum bei der Zielsetzung.

Letztlich fehlte dem Harzburger Modell Höhns die notwendige Flexibilität, um individuelle Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Es wurde zunehmend von moderneren Führungsansätzen abgelöst, die eine differenziertere Betrachtung der Mitarbeitenden und weniger bürokratische Strukturen ermöglichten.

Jan Eldo
Jan Eldo versorgt die Leser:innen im Journal und Glossar mit neuen Inhalten: Was tut sich in der HR-Welt? Wie lässt sich Lohn am besten gestalten? Als studierter Germanist und Philosoph interessieren ihn besonders die gesellschaftlichen Auswirkungen und Möglichkeiten einer progressiven Lohngestaltung.
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