Soziales Pflichtjahr – Wehrdienst und Zivildienst 2.0?
Soziales Pflichtjahr von diversen jungen Freiwilligen in Schutzhandschuhen, die Lebensmittel in Kartons verpacken.
Vivian Elbers
Vivian Elbers ist seit mehreren Jahren als Redakteurin im Benefit-Kosmos tätig. Als angehende Marketing Managerin produziert sie mit ihrer Expertise verschiedene informative Inhalte für das Journal und klärt die Leser:innen über die aktuellsten Themen in der HR-Welt auf.
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Soziales Pflichtjahr – Wehrdienst und Zivildienst 2.0?

Soziales Pflichtjahr von diversen jungen Freiwilligen in Schutzhandschuhen, die Lebensmittel in Kartons verpacken.

Im Sommer 2023 brachte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier im Interview mit der Bild am Sonntag das soziale Pflichtjahr wieder zur Sprache. Vor allem aufgrund des Ukraine-Krieges wurden die Rufe nach einer Form von Pflichtzeit laut. Steinmeier plädierte dabei auf eine „gewisse Zeit”, in der sich jungen Menschen für die Gemeinschaft in oder außerhalb der Bundeswehr engagieren sollten. Ähnlich des freiwilligen sozialen Jahres (FSJ) sollen Vorurteile abgebaut und der Gemeinsinn gestärkt werden. Auch über ein soziales Pflichtjahr für Senioren wird nachgedacht. In diesem Artikel lesen Sie, was es mit dem sozialen Pflichtjahr auf sich hat, ob es sich wirklich um einen freiwilligen Dienst handelt und was die jeweiligen Vor- und Nachteile beider Modelle sind.

Was ist ein Soziales Pflichtjahr? 

Das „Soziale Pflichtjahr“ – oder eher die angestrebte Pflichtzeit – ist ein Konzept, bei dem Bürger, in der Regel junge Erwachsene, eine bestimmte Zeitspanne ihres Lebens der Gemeinschaft und der Gesellschaft widmen sollen. Hierzu sollen freiwillige Arbeit oder Dienstleistungen in sozialen, gemeinnützigen oder öffentlichen Einrichtungen geleistet werden. 

Das Konzept beinhaltet die Bereitstellung von gemeinnütziger Arbeit durch Teilnehmer, wodurch soziale Herausforderungen angegangen und die Gesellschaft gestärkt werden sollen. Dieser Dienst würde sich über diverse Einsatzgebiete, unter anderem Bildung, Gesundheitswesen, Umweltschutz und Altenpflege erstrecken. Ein weiterer entscheidender Aspekt des Sozialen Pflichtjahres wäre die persönliche Entwicklung der Teilnehmer. Während dieser Zeit hätten sie die Möglichkeit, wertvolle Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln, die ihre persönliche Entwicklung fördern können. Dazu gehören die Stärkung von Teamarbeit, die Entwicklung von Empathie und die Verbesserung zwischenmenschlicher Fähigkeiten.
Die Teilnahme würde auch zur Stärkung der Gemeinschaft beitragen. Bürger, die sich diesem Dienst verschreiben, würden einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten und so ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gesellschaft fördern. 

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Was ist die Idee der Pflichtzeit? 

Die Idee hinter der allgemeinen Dienstpflicht ist es, Bürger zu ermutigen, sich aktiv an der Verbesserung der Gesellschaft zu beteiligen und einen verpflichtenden Beitrag zu leisten, der über individuelle Interessen hinausgeht. Es ist eine Möglichkeit, das soziale Engagement und die Solidarität in der Gesellschaft zu fördern.

Wer fordert ein Soziales Pflichtjahr? 

Nach Abschaffen der Wehr- und Zivildienstpflicht von Männern 2011, sprach die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, diese Forderung im Frühjahr 2018 erstmals an. Sowohl der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordern mit Nachdruck den neuen Zivildienst. Nun stellt sich die Frage „Warum soziales Pflichtjahr?“ 

Am 12.06.2022 befürwortete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Interview mit der Bild am Sonntag die Einführung einer sozialen Pflichtzeit. Demnach wurde in letzter Zeit vor allem aufgrund des Ukraine-Krieges die Rufe nach irgendeiner Form von Pflichtzeit laut. Der Bundespräsident rät davon ab, die alte Debatte über die Wehrpflicht neu aufzulegen. Frank-Walter Steinmeier plädierte dabei auf eine „gewisse Zeit“- es muss kein Jahr sein, in der sich jungen Menschen für z. B. um die Betreuung von Senioren kümmern, den Dienst in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften leisten, oder auch bei der Bundeswehr engagieren sollen. Es geht viel mehr darum, dadurch Vorurteile abzubauen und den Gemeinsinn zu stärken. 

Neben der sozialen Pflichtzeit für Jugendliche und junge Erwachsene befürwortet Steinmeier dies auch für ältere Menschen, nach dem Renteneintritt. Laut ihm kann so der „Zusammenhalt eingeübt werden“. Er ist davon überzeugt, dass es Modelle geben muss, in denen Jung und Alt miteinander ins Gespräch kommen. 

Soziales Pflichtjahr dargestellt durch eine Gruppe junger Erwachsener aus den Bereichen Gesundheitswesen, Umweltschutz und Unterricht, die mit verschiedenen Aktivitäten beschäftigt sind, die für den sozialen Dienst stehen.

Das Soziale Pflichtjahr soll sich demnach nicht nur an junge Erwachsene richten, die direkt nach ihrer schulischen oder universitären Ausbildung daran teilnehmen können. Es steht auch älteren Menschen und Rentnern offen, die ihre langjährige Erfahrung und ihr Wissen der Gesellschaft zur Verfügung stellen sollen. Damit bietet es eine breite Palette von Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Förderung sozialer Verantwortung über Generationen hinweg.

Soziales Pflichtjahr für junge Bürger

Sie fragen sich „was spricht für oder gegen ein soziales Pflichtjahr?“ Die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt die Vor- und Nachteile, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene:

Pro Contra
Gemeinschaftlicher Nutzen:Es würde den Teilnehmern ermöglichen, der Gesellschaft zu dienen und positive Veränderungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheitswesen und Umweltschutz herbeizuführen. Einschränkung der individuellen Freiheit: Die Verpflichtung könnte als Einschränkung wahrgenommen werden. 
Persönliche Entwicklung: Die Erfahrung würde die persönliche Entwicklung fördern.Bürokratischer Aufwand: Die Umsetzung würde eine erhebliche bürokratische Struktur und Ressourcen erfordern, um Programme zu organisieren und zu überwachen.
Reduzierung sozialer Probleme:Es könnte dazu beitragen, soziale Probleme zu reduzieren, indem es zusätzliche Arbeitskräfte und Ressourcen in Bereiche lenkt, die Unterstützung benötigen. Potenzielle Ausbeutung: Es würde die Möglichkeit bestehen, dass Teilnehmer ausgenutzt werden, insbesondere, wenn sie unbezahlte Arbeit leisten.
Chancengleichheit: Es könnte dazu beitragen, Chancengleichheit zu fördern, da es jungen Menschen die Möglichkeit gibt, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, unabhängig von ihrer sozialen oder wirtschaftlichen Herkunft. Mangelnde Wahlmöglichkeiten: Die individuelle Berufswahl oder Bildungsmöglichkeiten der Teilnehmer könnten eingeschränkt werden, da die Pflicht Zeit und Energie in Anspruch nimmt. 
Stärkung des Gemeinschaftssinns: Das Jahr oder die Zeit würde den Gemeinschaftssinn und das Verantwortungsbewusstsein fördern, indem es Menschen dazu ermutigt, sich aktiv in der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen.Wirtschaftlicher Schaden: Dem Arbeitsmarkt werden ein Jahr lang junge Arbeitskräfte vorenthalten → Fachkräftemangel verstärkt sich.

Diese Argumente verdeutlichen, dass der Pflichtdienst sowohl Befürworter als auch Kritiker hat. 

Politik greift in die Lebensplanung der jungen Schulabgänger ein

Während am 01.07.2011 die Regierung die allgemeine Wehrpflicht für Männer abgeschafft hatte, kam bereits 2012 – 2015 in fast allen Bundesländern die Veränderung der Schulform von G9 auf G8. Infolgedessen hatten die Schülerinnen und Schüler ein Schuljahr weniger Zeit für das Abitur. Die Schulzeitverkürzung war eine Idee, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem sollte der baldige Berufseinstieg entsprechend für frühere Zahlungen ins Steuer- und Sozialsystem sorgen. Die erhoffte Wirkung wurde zwar erreicht, aber mit deutlichen Abstrichen und zulasten der Schülerinnen und Schüler.
Umso überraschender ist es, dass die Frage “Soll ein soziales Pflichtjahr für Jugendliche eingeführt werden?” bei Jugendlichen laut einer Haufe-Umfrage in den vergangenen Jahren zunehmend auf Unterstützung stößt. Aufgrund der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges wollen sich viele junge Erwachsene sozial engagieren.

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Bereits jetzt leisten jedes Jahr rund 100.000 junge Menschen nach dem Abitur Freiwilligendienste – auch bekannt als “FSJ”.

Auch die folgende Statistik zeigt, dass die Mehrheit (58 %) der Befragten die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres für junge Erwachsene als sehr positiv bewerten. 

Eine Umfrage von Statista zeigt, dass die Mehrheit ein verpflichtendes soziales Jahr für junge Erwachsene befürwortet.
Business Insider. (2022). Wie würden Sie aktuell die Einführung eines sozialen Pflichtjahrs für junge Erwachsene bewerten (z.B. Wehr- oder Zivildienst)?. Statista. Statista GmbH. Zugriff: 15. November 2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1294660/umfrage/soziales-pflichtjahr-wehr-oder-zivildienst/

Soziales Pflichtjahr für Rentner?

Neben der Einführung der Pflichtzeit für junge Menschen gibt es ebenfalls das Konzept von einer allgemeinen Dienstpflicht für Rentner. Diese kann mehrere sinnvolle Gründe haben:

Rentner verfügen oft über reichhaltige Lebenserfahrungen und wertvolles Wissen, das der Gesellschaft zugutekommen könnte. Ihr Fachwissen und ihre Fähigkeiten könnten in verschiedenen sozialen Bereichen genutzt werden, um soziale Probleme anzugehen und Lösungen zu entwickeln. Ebenso würde es Rentnern eine Möglichkeit bieten, geistig und körperlich aktiv zu bleiben. Dies könnte dazu beitragen, geistigen Verfall zu verlangsamen und die physische Gesundheit zu fördern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die soziale Interaktion und Netzwerkbildung. Rentner verfügen oft über mehr freie Zeit, die sie für soziale Aktivitäten nutzen könnten. Durch die Teilnahme hätten sie die Möglichkeit, neue soziale Kontakte zu knüpfen, den Zusammenhalt zu stärken und soziale Isolation zu verhindern. Dies ist entscheidend für das allgemeine Wohlbefinden im Alter. Der gemeinnützige Pflichtdienst würde auch zur Lebenszufriedenheit beitragen. Die Erfahrung, gebraucht und nützlich zu sein, kann zu einem gesteigerten Sinn im Leben führen. Rentner, die sich in ihrem Ruhestand sozial engagieren, berichten oft von einer höheren Lebenszufriedenheit und einem erfüllteren Lebensstil. Darüber hinaus könnte die Teilnahme von Rentnern die Belastung sozialer Dienste und Pflegeeinrichtungen reduzieren, da sie sich um die Bedürfnisse von älteren oder bedürftigen Menschen kümmern. Rentner könnten außerdem ihr umfangreiches Wissen an jüngere Generationen weitergeben und gleichzeitig von der Energie, den Ideen und der Perspektive der jüngeren Menschen profitieren. Dies würde eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten schaffen.  

Um den Vorschlag des Bundespräsidenten besser abwägen zu können, zeigt die folgende Tabelle zusammengefasst, dass es auch für ältere Bürger Vor- und Nachteile gibt:

Pro Contra
Nutzung von Lebenserfahrung und Wissen:Altersbedingte, gesundheitliche Einschränkungen
Förderung von geistiger und körperlicher Aktivität.Bürokratische Herausforderungen.
Soziale Interaktionen werden gestärkt.Die Bereitstellung von ausreichend Ressourcen für Ausbildung und Unterstützung könnte Probleme darstellen.
Die Erfahrung, gebraucht zu sein, trägt zur Lebenszufriedenheit bei. Betreuung von Enkelkindern oder die Pflege von Angehörigen könnte vernachlässigt werden.
Entlastung sozialer Dienste: Die Teilnahme könnte dazu beitragen, Pflegepersonal zu entlasten.Ein Zwang kann zu Unzufriedenheit und Widerstand führen. 
Wissensaustausch zwischen Generationen – Win-Win Situation.  

Diese Gegenüberstellung macht deutlich, dass es wie bei der Pflichtzeit für junge Menschen einige Argumente für, aber auch einige Argumente gegen die verpflichtende Zeit für Rentner sprechen. 

Fazit 

Das Soziale Pflichtjahr ist ein Konzept, bei dem Bürger eine bestimmte Zeit Arbeit in sozialen oder gemeinnützigen Bereichen leisten sollen. Dies soll soziale Herausforderungen bewältigen, die persönliche Entwicklung fördern und den Zusammenhalt stärken. Politiker wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Frank-Walter Steinmeier haben die Einführung befürwortet. 

Befürworter betonen den gesellschaftlichen Nutzen und die persönliche Entwicklung, während Kritiker die Einschränkung der individuellen Freiheit und bürokratischen Aufwand hervorheben. Auch Rentner sollen einbezogen werden, um ihr Wissen und ihre Erfahrung für soziale Zwecke zu nutzen, soziale Interaktion zu fördern und die Gesellschaft zu unterstützen. 

Die Debatte über das Soziale Pflichtjahr ist aktuell und wird von vielen Jugendlichen unterstützt. Bereits jetzt leisten einige Schüler Freiwilligendienste, z. B. in Form eines FSJ’s.

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