Blind Signing ist ein neuer Begriff für das unüberlegte und vorschnelle Unterschreiben von Arbeitsverträgen. Immer mehr Talents treten einen neuen Job trotz Zweifel über die Qualität der neuen Stelle an. Dies ist laut Karriereberater Bernd Slaghuis, der diesen Begriff ins allgemeine Gespräch brachte, schon lange kein Einzelfall mehr. Unter seinen Schützlingen hat jeder Zweite einen für ihn unpassenden Job vorschnell angenommen. Gründe werden vor allem durch den, von Recruitern erzeugten, Zeitdruck benannt. Dieser Druck funktioniert trotz Fachkräftemangel bei Bewerbern, schadet im Endeffekt aber nicht nur der Kariere des Bewerbers, sondern auch dem Unternehmen. Eine klassische Lose-lose-Situation.
Überall Unsicherheit
Die Gründe für die neue Welle der Neuorientierung bei berufserfahrenen Bewerbern und das daraus folgende Blind Signing liegen vor allem in der allumfassenden Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Die Unsicherheit bei Unternehmen und Arbeitnehmern selbst hat dabei zwei verschiedene Gründe. Ganz allgemein ist der Arbeitsmark hauptsächlich auf Arbeitgeberseite extrem umkämpft, der Fachkräftemangel erstreckt sich über alle Branchen und Unternehmensgrößen. Gleichzeitig sind immer weniger Arbeitnehmer bereit, Extrameilen für den Job zu gehen und Überstunden einfach hinzunehmen. Bewerber achten mehr auf die Sinnhaftigkeit im Job und auf eine gesunde Work-Life-Balance. Dem entgegen wirkt ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit. Arbeitnehmer nehmen auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber oft den nächstbesten, weil sie sich selbst durch die erzeugte Unsicherheit von Krisen, Kriegen und der Rezession unter Druck setzen lassen. Dadurch verkaufen sich Talente oft unter Wert und hinterfragen ihre Entscheidung gar nicht oder zu spät. Gleichzeitig stehen Recruiter und Personaler durch den Fachkräftemangel extrem unter Druck. Das vorherrschende Gefühl in der Branche ist, dass man nicht wählerisch sein darf. Diese Panik kann zu schlimmen Folgen führen und den normalerweise klaren Blick trüben. Das kostet das Unternehmen langfristig Zeit und Geld, zudem schwächt die hohe Fluktuation und das Verlassen von Mitarbeitern noch in der Probezeit den Teamspirit extrem.
Schaden für Unternehmen und Bewerber vermeiden
Diese Lose-Lose-Situation zur Win-win-Situation umzuwandeln, sollte nun das Ziel sein. Damit die ernsten Folgen von Blind Signing und das unzufriedene Verlassen noch in der Probezeit vermieden werden können, müssen sich alle mehr Zeit nehmen. Der Druck, den Recruiter auf Bewerber ausüben, führt zwar auf den ersten Blick zu einer erfolgreichen Besetzung von offenen Stellen, macht dem Team und der Führungsebene aber auf langer Sicht schwer zu schaffen und ist schlecht für die gesamte Stimmung im Unternehmen. Personaler sollten ihren Fokus also auf Geduld und das intensive Kennenlernen der Bewerber richten. Die längere Suche nach dem perfekten Match zahlt sich über kurz oder lang immer aus. Für Arbeitnehmende gilt, die Unsicherheit am Arbeitsmarkt auszunutzen und abzuwarten. Dieses besonnene Handeln und sich selbst zu hinterfragen, anstatt direkt in den nächsten unpassenden Job zu stolpern, sollte das Ziel sein. Dabei kann es helfen sich Zeit zu nehmen, die für einen selbst entscheidenden Fragen zu stellen wie: “was will ich?” oder “was ist mir wichtig? Die Antworten und der realistische Blick auf den eigenen Wert sind das richtige Rezept auf der Suche nach dem passenden Job. Auf dieser Suche ist eine bewusste Ablehnung ein Zeichen von Stärke und selbst schützend.
Es gilt also für beide Seiten nichts zu überstürzen und sich intensiv kennenzulernen. Dabei sollten alle Fragen offen angesprochen werden, um sich über Aufgaben und gegenseitige Erwartungen klar zu werden. So wird die lose-lose-Situation zum win-win.